Betroffenen-Perspektive: Queerfeindlicher Übergriff am 18. Mai 2023 in Tübingen

Bild: homophobes Graffiti in Tübingen, 2020

Folgender Text ist eine Rekonstruktion aus der Erzählung eines Betroffenen über einen mutmaßlich queerfeindlichen Übergriff in der Tübinger Weststadt.
Der Betroffene, Martin (Name geändert), beschreibt das seine queer geprägte WG in der Tübinger Weststadt deutlich erkennbar eine Pride-Flagge im Fenster hängen hatte.
Im Sommer 2022 begann eine Gruppe von Jugendlichen im Alter von 12 bis 17 Jahren diese WG zu belästigen, u.a. kommt es zu sehr penetranten Klingelstreichen, teilweise bis zu 30 Mal in der Stunde.
Möglicherweise handelt es sich um Schüler der nahen Hans-Küng-Gemeinschaftsschule. Die Stör-Aktionen hätten auch nachmittags und abends stattgefunden, d.h. außerhalb von Schulzeiten.
Es wurden, vermutlich von derselben Gruppe, auch Mülltonnen und Räder umgetreten. Bei Konfrontationen mit der Gruppe kommt es zu homophoben Beleidigen
Unbekannte hätten auch versucht die Regenbogenflagge der WG abzuschneiden.
Martin vermutet deswegen die Gruppe sei getriggert gewesen „von der wahrnehmbaren Queerness“.
Im Winter sei es dann ruhiger geworden und im Frühjahr hätte es wieder angefangen. Es seien Eier gegen das Haus geworfen und ein Fahrrad beschädigt worden.
Martin berichtet dass er am 18. Mai 2023 (Vatertag!) 22.30 Uhr abends noch nach seiner Heimkehr einen kurzen Spaziergang in der Dunkelheit gemacht habe. Er habe eine bunte Hose angehabt, die möglicherweise auch nicht mit Hetero-Männerbildern in Einklang steht, sowie lackierte Fingernägel gehabt.
An der Ammer habe er dann zuerst alleine auf Englisch telefoniert.
Zwei ältere Mitglieder der Störer-Gruppe seien über eine nahe Brücke gelaufen, hätten ihn entdeckt, seien auf ihn zugekommen und hätten sich dann dann neben ihn gesetzt.
Sie hätten ihn dann versucht zu provozieren, indem sie ihn vor die Füße gerotzt, laut gesprochen und nachgeäfft hätten. Zum Schluss hätten sie ihm einer sein Handy mit lauter Musik hingehalten. Daraufhin habe er dem Störer das Handy aus der Hand geschlagen.
Die beiden seien sofort und ohne Zögern auf Martin los gegangen. Es wurde ihm mit der Faust ins Gesicht geschlagen und sei er mehrmals getreten worden. Er war blutig geschlagen.
Zuhause habe er die Polizei angerufen, die gekommen sei und erst einmal einen Alkoholtest habe machen sollen. Er sei dann zur HNO-Klinik gefahren.
Seine Nase sei infolge des Schlags auf das Dreifache geschwollen gewesen, er habe auch Kopf- und Kieferschmerzen, sowie mehrere Beulen, blaue Flecken an Hand und Oberschenkel und ein blaues Auge gehabt.
An gesundheitlichen Folgen seien bis heute Nasen-Schmerzen zurückgeblieben.
Neben diesen physischen Folgen habe die Tat psychische Folgen gehabt. Sein Sicherheitsgefühl sei beeinträchtigt, er habe „permanente Angst“.

Er habe mit dem Stadtteilbüro Weststadt (Sozialarbeit) gesprochen. Obwohl er anfangs keine Anzeige gestellt habe, habe die Polizei ihm in einem Brief mitgeteilt dass sie Ermittlung wegen gefährlicher Körperverletzung aufgenommen:

Einschätzung: Die Tat hat wahrscheinlich mindestens einen queerfeindlichen Aspekt. Auch eine sich steigernde Gruppendynamik spielt eine Rolle. Möglicherweise auch Sozialneid von Nicht-Akademikern auf Studierende.

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